Stefanie K., 29, arbeitet als Pflegekraft und leitet die Innere Medizin/Covid Station der GFO Kliniken in Bonn
Was hat dir in dieser Pandemie am meisten Angst gemacht?
Am meisten Angst hat mir tatsächlich die Ungewissheit gemacht. Dass man gar nicht einschätzen konnte, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt. Besonders am Anfang war ja eine große Unsicherheit zu spüren. Was bedeutet das alles? Was bedeutet der Virus für die Infizierten? Was bedeutet das für mich als behandelnde Pflegekraft? Die Unsicherheit war erstmal größer als die Angst. Es gab auch Ängste bei der eigenen Sicherheit, insbesondere zu der Zeit, als Engpässe bei den Schutzmaterialen gab.
Was hättest du dir gewünscht, um dich sicherer zu fühlen?
Wir haben die Besucherregeln bei uns im Krankenhaus geändert. Anfangs durften Besucher mit eigener Maske und ohne Test reinkommen. Das fanden wir aber zu unsicher, das war immer Thema bei uns im Personal. Seit Mitte Mai ist der Zugang ins Haus nur noch mit FFP2 Maske und einem negativen Schnelltest, der nicht älter als 48 Stunden ist, gestattet. Das hat mich und viele beruhigt. Mit allen anderen Schutzmaßnahmen habe ich mich ansonsten sicher gefühlt.
Was hätte geholfen den Druck zu nehmen?
Eindeutig mehr Personal. Das ist das A und O. Wir konnten nicht planen wie viele Patienten wir überhaupt bekommen. Wenn eine Pflegekraft vier Corona-Patienten betreuen soll, dann können das vier unkomplizierte Fälle sein, es können aber alles auch schwere Verläufe sein – und dann bekommt man einfach keinen Fuß mehr auf den Boden. Die Umsetzung der Hygienemaßnahmen, das Ein- und Ausschleusen in die Covid-Zimmer war und ist sehr zeitintensiv. Generell wäre es sicher sinnvoll gewesen, sich frühzeitig mit der Thematik auseinanderzusetzen, Handlungsalternativen bereitzuhaben, hygienische Standards vorzubereiten, die Mitarbeiter zu schulen und so weiter.
Wie sah und sieht deine Arbeit genau aus?
Ich arbeite mit meinem Team komplett "am Patienten", auf der Normalstation. Mir stehen als Leitung sogenannte Bürotage zu, max.imal 3-4 pro Monat, an denen ich mich um organisatorische Dinge kümmere wie zum Beispiel den Dienstplan. Die beatmeten Patienten liegen auf der Intensivstation, damit hatten wir nichts zu tun. Unser Fokus lag in der Kontrolle der Vitalparameter, insbesondere natürlich die Temperatur und die Sauerstoffsättigung, die Medikamentengabe, die Steuerung der Sauerstoffgabe und auch der Inhalationstherapie.
Wie war der Umgang mit den Corona-Patienten?
Das war schon schwierig, quasi immer diese Gradwanderung zwischen Fürsorge und Selbstschutz. Wie oft haben die Patienten aus Angst und Panik geweint und wir konnten nicht mal hingehen und sie in den Arm nehmen und trösten. Einfach ein bisschen Nähe aufbauen. Normalerweise hätte ich mich 10 Minuten mit aufs Bett gesetzt, aber jetzt hatte ich immer den Abstand und Selbstschutz im Kopf. Das war das Schlimmste für mich, die Nähe, die ich geben wollte, konnte ich nicht geben. Ich hab ja selbst Familie, Eltern, Freunde, die ich schütze möchte. Viele sind gestorben, natürlich die meisten auf der Intensivstation, aber auch bei uns. Es war nicht schön. Aber wir haben immer mehr dazu gelernt und konnten nachher auch auf unser Bauchgefühl hören, z.B. wenn sich der Zustand eines Patienten ganz plötzlich verschlechtert hat. Ich habe in den intensiven Zeiten deutlich mehr „mit nach Hause genommen“ als sonst. Das hat mich schon belastet. Richtig schlimm ist es auch wenn man am nächsten Tag kommt und der Patient liegt nicht mehr im Bett.
Fühlst du dich gesehen?
Gesehen ja, gerade am Anfang, auch als es diese Applauswelle gab. Aber ich fand das eigentlich eher unangenehm. Es ist schade, dass erst so eine Situation kommen muss, damit wir Pflegekräfte gesehen werden und dann auch nur für so eine kurze Zeit. Es ist wichtig, dass dieser Beruf dauerhaft gesehen wird und auch diese Aufopferung, die wir teilweise leisten. Es geht mir dabei nicht nur ums Geld, sondern dass gesehen wird, dass wir das immer weiter machen, und auch nach der vierten oder fünften Welle, oder wie viele da auch noch kommen. Es geht um Wertschätzung und dass der Pflegeberuf wirklich mehr Anerkennung erfährt.
Was müsste passieren?
Der Beruf muss attraktiver gestaltet werden, damit wir auch junge Leute bekommen und die nicht beim Stichwort „Krankenschwester“ zuerst an die Bettpfanne denken. Es muss klar werden, dass dieser Beruf total abwechslungsreich ist, es Spaß macht mit Menschen zu arbeiten und diese in unterschiedlichen Situation zu begleiten.
Gab es Momente, in denen du gedacht hast, ich schaffe das körperlich und emotional nicht mehr?
Ja, diese Momente gab es, insbesondere in der Anfangszeit, am meisten aber tatsächlich im Herbst letzten Jahres. Ich war ausgelaugt von der vorherigen Zeit, es kamen noch mehr Infizierte. Patienten mit schwereren Verläufen, viele Notfallsituationen und man konnte keinem mehr gerecht werden. Das belastet, weil man jeden Tag nach Hause fährt und die Patienten nicht so versorgen konnte wie man wollte.
Gab es Kolleginnen und Kollegen, die der Belastung nicht mehr Stand halten konnten?
Wir waren erschöpft, wir sind noch erschöpft vom Herbst letzten Jahres und auch vom Anfang dieses Jahres. Es war eine anstrengende Zeit und wir waren oft an der Belastungsgrenze. Aber Dank unseres ganzen Teams, durch die gegenseitige Unterstützung, sind wir trotz allem gut durch diese Zeit gekommen.
Gab es auch gute Momente in der ganzen Zeit?
Ja durchaus, es gab viel Verständnis. Ich erinnere mich an eine junge Frau, die auch positiv war, die sich nicht von ihrer ebenfalls an Corona erkrankten Mutter verabschieden konnte. Die ist hier leider verstorben. Obwohl die Tochter nicht dabei sein konnte, hat sie uns große Dankbarkeit entgegen gebracht und Verständnis, dass wir versucht haben ihr diesen Abschied möglich zu machen und sich die Kollegen der Intensivstation so toll um ihre Mutter gekümmert haben. Auch innerhalb der Klinik gab es viel Hilfe und Unterstützung, das war schön. Trotz Maske konnte man die Dankbarkeit bei den Patienten spüren und sehen. Unser Team ist deutlich zusammengewachsen.
Worauf freust du dich am meisten, wenn die Pandemie vorbei ist?
Auf die ganz grundlegenden Sachen, die vorher selbstverständlich waren. Sich mit Freunden treffen, Kollegen in den Arm nehmen, abends essen zu gehen, Biergarten und so weiter. Ich freue mich, wenn die Masken fallen und man wieder das ganze Gesicht der Menschen sehen kann und nicht nur die Augen. Und die Patienten uns endlich wieder lächeln sehen können und noch viel wichtiger, wir die Patienten wieder lächeln sehen können.
Das Interview führte Pia Klinkhammer; Fotos: Annette Etges