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NAH DRAN - Jahresbericht 2023/24

Cover Jahresbericht
Nah Dran

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Nah dran“ – das ist mehr als ein Motto. Es ist unser Anspruch, unsere Haltung und unsere Verantwortung. Gesellschaftliche Spaltungen, bewaffnete Konflikte und zunehmende Naturkatastrophen unterstreichen die Relevanz von Forderungen zum „Klimaschutz, der allen nutzt“ und von Aktionen für einen „Frieden, der bei mir beginnt“.

Im Jahr 2023 hat sich die Caritas bundesweit damit befasst, wie Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden kann. Denn wichtig ist: Klimaschutz darf nicht zu einem elitären Projekt werden, sondern muss auch die Menschen mitnehmen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, aber oftmals am meisten darunter leiden. In unseren Projekten und Initiativen haben wir gezeigt, wie ökologische und soziale Verantwortung Hand in Hand gehen können – sei es durch energieeffiziente soziale Wohnprojekte, Bildungsangebote oder Hilfen für Menschen, die von den Auswirkungen der Klimakrise besonders betroffen sind.

2024 richtete sich unser Blick auf den inneren und äußeren Frieden. „Frieden beginnt bei mir“ erinnert daran, wie wichtig es ist, in einer Welt voller Konflikte bei sich selbst anzufangen – mit Respekt, Dialog und Versöhnung. In der Caritasarbeit bauen wir Brücken zwischen Generationen, Kulturen und Menschen mit sehr verschiedenen Lebensrealitäten.

Dieser Jahresbericht 2023/2024 zeigt, wie wir „nah dran“ geblieben sind – an den Bedürfnissen der Menschen, an den Herausforderungen unserer Zeit und an der Vision einer solidarischen Gesellschaft.

Lassen Sie sich inspirieren von den hier vorgestellten Geschichten, Projekten und Menschen. Gemeinsam können wir etwas bewegen – nah dran und mitten im Leben.

Weihbischof Ansgar Puff (Vorsitzender)
Dr. Frank Johannes Hensel (Diözesan-Caritasdirektor)
Matthias Schmitt (stellv. Diözesan-Caritasdirektor)

Starke Projekte 2023/24

Caritas ist ein Stabilitätsanker in der Gesellschaft

Der Kölner Diözesan-Caritasverband steht vor großen Herausforderungen. Während die Bedarfe ungebrochen groß sind, werden auf allen Ebenen Gelder für die soziale Daseinsvorsorge gekürzt, allein aus dem NRW-Landeshaushalt sollten ursprünglich über 80 Millionen Euro weniger fließen. Nach massiven Protesten wurden diese Kürzungen immerhin um etwa die Hälfte zurückgenommen. Im Gespräch äußern sich Diözesan-Caritasdirektor Dr. Frank Johannes Hensel und sein Stellvertreter Matthias Schmitt zu den Folgen der finanziellen Einsparungen für Caritas und Gesellschaft und richten einen Blick in die Zukunft.

Dr. Frank Johannes Hensel | Diözesan-Caritasdirektor
Matthias Schmitt | Stellvertretender Diözesan-Caritasdirektor

Der Landeshaushalt sieht Kürzungen von rund 40 Millionen Euro für den sozialen Bereich vor. Was bedeutet das für die Caritas und ihre Mitarbeitenden?

Dr. Frank Johannes Hensel: Die Bedrohlichkeit von Einschnitten wurde dadurch etwas abgemildert, dass die vorgesehenen Kürzungen im Landeshaushalt halbiert worden sind. Nun kommt es noch darauf an, wie die kommunalen Gelder fließen und was an Verschiebung auf EU-Fördermittel möglich ist. Erst wenn wir diese Zahlen kennen, wissen wir, was wirklich auf uns zukommt. In jedem Fall ist es eine politische Entscheidung, dass der sozialen Daseinsvorsorge eine große Summe verloren gehen wird.

Matthias Schmitt: Einige Dinge sind jetzt schon sicher, so werden Arbeitsgelegenheiten massiv abgebaut werden, weil Jobcenter die Mittel dafür stark kürzen, mancherorts sogar streichen. Das betrifft Angebote, die man in den Innenstädten richtig sehen wird, etwa Sozialkaufhäuser, die schließen müssen. Auch wie stark wir uns weiterhin in der Asylverfahrensbegleitung engagieren können, wird sich zeigen. Zu den Unwägbarkeiten auf Landesebene kommt die Unsicherheit im Bundeshaushalt, aus dem manche Mittel, zum Beispiel in der Migrationsarbeit, bestritten oder kofinanziert werden.

Eine Deckelung von Ausgaben gibt es auch seitens des Erzbistums. Wie gehen Sie als DiCV damit um?

Matthias Schmitt: Ja, das ist so. Man kann hier nicht von Einschnitten sprechen, aber es sind eben Deckelungen, die sich daraus ergeben, dass die Einnahmen aus Kirchensteuern absehbar in den kommenden Jahren geringer werden. Insofern ist das eine weitere finanzielle Herausforderung, mit der wir gut umzugehen versuchen.

Dr. Frank Johannes Hensel: Man kann aber eben auch feststellen, dass es eine Stabilitätszusage des Bistums hinsichtlich seiner Zuschüsse an die Caritas für die nächsten Jahre gibt. Das ist erst einmal eine berechenbare Planungsgröße, mit der wir arbeiten können, und damit geht es uns besser als vielen Kolleginnen und Kollegen in anderen Bistümern. Es bedeutet allerdings auch, dass weitere Kostenentwicklungen, wie steigende Löhne oder Materialkosten, nicht mehr aufgefangen werden können.

Dr. Frank Johannes Hensel & Matthias Schmitt

Als die Pläne des Landes von den beabsichtigten Einsparungen bekannt wurden, hat es Demonstrationen mit sehr großer Beteiligung gegeben, nicht zuletzt dadurch wurde ein Teil der Kürzungen zurückgenommen. Wie lässt sich dieses große Engagement erklären?

Matthias Schmitt: Bei der Demonstration in Düsseldorf waren 24 000 Menschen angemeldet, gekommen sind über 32 000 – das macht deutlich, wie sehr das Thema die Menschen angeht, wie stark sie wahrnehmen, dass angekündigte Kürzungen auch bei ihnen vor Ort durchschlagen würden.

Dr. Frank Johannes Hensel: Die Protestbereitschaft und der hohe Grad an Mobilisierung zeigen, wie sehr dieses Thema sozial engagierte Menschen betrifft, nicht nur in eigener Sache, sondern für die Daseinsvorsorge, um die es uns geht. Mit dem landespolitischen Rückbausignal an die soziale Arbeit, das von den geplanten Kürzungen ausgeht, verlieren Mitarbeitende die Zuversicht, auf diesem Feld sicher weiterarbeiten zu können, sie verlassen das System, und am Ende bricht unsere Leistungsfähigkeit zusammen.

Was bedeuten Kürzungen in der Daseinsvorsorge für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit letztlich für die Demokratie?

Dr. Frank Johannes Hensel: Wenn man das Soziale schwächt, schwächt man die Gemeinschaft –  und damit letztlich auch unsere Demokratie, denn das hat ja systemische Auswirkungen. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Umgang mit Minderheiten und sozial geschwächten Gruppen entscheidend ist für den Zusammenhalt in einer Gesellschaft. Die demokratisch legitimierten Mehrheiten dürfen nicht ihre Agenda durchsetzen, ohne die Minderheiten zu schützen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf ein Missverständnis hinweisen, das in der Politik gerade wieder aufkommt: erst die Wirtschaft, dann das Soziale. Eine solche Sichtweise verkennt die Tatsache, dass eine funktionierende Daseinsvorsorge ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Wirtschaft ist. Die Arbeitskräfte gehen bevorzugt dahin, wo es sozial, sicher und freundlich ist. Man wird keinen wirtschaftlichen Erfolg erzielen, wenn man das Soziale schleift.

Matthias Schmitt: Wir versuchen immer wieder, als Friedensstifter in die Gesellschaft hineinzuwirken, beispielsweise mit dem Theaterstück „Katze und Hund, na und? Von der Superkraft, die Frieden schafft“, das wir im Kontext der Caritas-Jahreskampagne 2024 „Frieden beginnt bei mir“ entwickelt haben und das in Kitas aufgeführt wurde. Wir sehen es mit Sorge, wenn solche Projekte weniger ermöglicht werden.

In welchem Verhältnis stehen Caritas und Freie Wohlfahrtspflege zur Politik?

Dr. Frank Johannes Hensel: Wir sind nicht das fordernde Gegenüber, sondern erachten uns als partnerschaftlich verantwortlich an der Seite der demokratischen Kräfte für das Soziale im Land. Dass wir fordernd agieren, liegt in der Natur der Nöte, um die wir uns kümmern.

Matthias Schmitt: Wir sind immer gesprächsbereit und wollen mitgestalten, aber wir haben auch das Selbstbewusstsein, dass wir eine wichtige Rolle für die Daseinsvorsorge einnehmen, die keiner Schwächung ausgesetzt sein sollte und das formulieren wir auch klar. Schwierig wird es, wenn die öffentliche Hand sich selbst voll ausstattet, also zum Beispiel bei sich Tarifsteigerungen voll refinanziert, dies aber bei den freien Trägern nicht tut. So entsteht ein Ungleichgewicht.

Ist das eine Entwicklung, die Sie beobachten?

Dr. Frank Johannes Hensel: Wir nehmen vermehrt eine Art Verstaatlichung der sozialen Daseinsvorsorge wahr, ein zunehmendes Vergessen der Subsidiarität. Der Staat fängt an, seine Dienste besser auszustatten als die der freien Träger. Das schwächt das Angebot und damit die Möglichkeiten der Wahl für die Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Ich sehe dahinter keine bewusste Strategie, sondern eher einen Weg, in den man hineinstolpert. Ihn weiterzugehen, wäre unklug, denn wir als Caritas bringen ganz andere Möglichkeiten ein, mehr Ehrenamt und zusätzliche Gelder, etwa durch Stiftungen oder Spenden. Wenn man unsere Strukturen zerstört, schadet es am Ende auch den Kommunen.

Wie wichtig sind die sozialen Player für den gesellschaftlichen Zusammenhalt?

Dr. Frank Johannes Hensel: Wir sind ein Stabilitätsanker in der Gesellschaft. Wir genießen viel Vertrauen und auch Zutrauen. Uns als Caritas zu schwächen, heißt, die Gesellschaft selbst zu schwächen. Wir sind die verlässlichen Kräfte da draußen, wir lieben und leben Minderheitenschutz und sind Garanten einer demokratischen, offenen, freundlichen Gesellschaft.

Wie kann die Caritas ihre Position in unruhigen Zeiten verbessern?

Dr. Frank Johannes Hensel: Wir sind ein starker Arm der Kirche von hoher persönlicher und gesellschaftlicher Relevanz. Wir werden nicht die Ersten sein, die wegbrechen, aber wir vertragen und verdienen keine Destabilisierung.

Matthias Schmitt: Das haben wir durch verschiedene Krisen hindurch bewiesen. Wir stehen noch stabil in der sozialen Landschaft und punkten insofern durch unsere Solidität und Verlässlichkeit.

Sehen Sie Möglichkeiten, mit geplanten und noch kommenden Kürzungen kreativ umzugehen? Wie muss sich die Caritas in der Zukunft wandeln?

Dr. Frank Johannes Hensel: Wenn wir die beiden großen Herausforderungen nehmen, die finanziellen Mittel und die Menschen, mit denen wir arbeiten, dann müssen wir es in der Caritas-Familie schaffen, über Dekanats- und Bistumsgrenzen hinweg verbundener zusammenzuarbeiten, Expertise zu bündeln und sie überregional zur Verfügung zu stellen.

Matthias Schmitt: Mit Blick auf den DiCV sind der Stiftungsbereich und das Fundraising ein wichtiges Standbein für die Zukunft. Dadurch wird sehr viel ermöglicht von Menschen, die das Glück haben, dass sich in ihrem Leben Vermögen angesammelt hat, und die das auch gerne gut eingesetzt wissen möchten. So kann staatliche Förderung zwar nicht ersetzt werden, aber es ist eine wichtige zusätzliche finanzielle Stütze. Wir sind in dem Bereich sehr professionell aufgestellt und wollen das weiter gut entwickeln.

Was kommt in der Zukunft auf die Caritas und ihre Mitarbeitenden zu?

Dr. Frank Johannes Hensel: Uns wird es weiter brauchen, und wir müssen dafür sorgen, dass wir mit genug Kräften an den Themen bleiben können. Große Chancen sehe ich auch in einer neuen Kommunikationskultur mithilfe von digitalen Techniken. Das stärkt unsere Arbeit und Erreichbarkeit. Außerdem wird die Künstliche Intelligenz insofern ein Thema, als wir unsere Kräfte noch stärker für die Betreuung der Klientinnen und Klienten zur Verfügung stellen können. Den Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen, ist ein enormer Verwaltungsaufwand, und da hoffen wir, durch moderne Technik entlastet zu werden.

Matthias Schmitt: Das sind unterstützende, flankierende Maßnahmen, die teilweise schon ganz konkret in der Entwicklung sind und die dann Beratung von der reinen Faktenwiedergabe befreien und Kapazitäten für anderes freisetzen können. Ein Beispiel ist die Website www.das-steht-dir-zu.de, auf der sich Menschen über mögliche Ansprüche auf staatliche Leistungen informieren können. Da wird dieser Ansatz bereits umgesetzt, und das werden wir zukunftsgerichtet weiterentwickeln.    

Der Titel der Caritas-Jahreskampagne 2025 lautet: „Da kann ja jeder kommen. Caritas öffnet Türen“. Wie ist die Kampagne zu verstehen?

Matthias Schmitt: Wir wollen gern Türen aufstellen und damit zeigen, wie wir Türen öffnen – tagtäglich, in all unseren Diensten, für alle Menschen, die suchen und in Nöten sind. Da stehen die Türen immer offen, deswegen ist es gut, das noch einmal in den Blick zu rücken.  

Dr. Frank Johannes Hensel: Der Vorsatz „Da kann ja jeder kommen“ ist ganz bewusst so gewählt, dass man kurz stutzt. Gemeint ist, dass wir uns an den Nöten der Menschen orientieren und nicht an Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Kultur oder Religion. Wir sehen und beachten die Würde aller, dafür stehen unsere Türen offen.

Das Gespräch führte Barbara Allebrodt.

Frank Johannes Hensel & Matthias Schmitt

Frieden beginnt im Kleinen

„Katze und Hund, na und? Von der Superkraft, die Frieden schafft“. Mit diesem Theaterstück hat sich der DiCV an der Caritas-Kampagne 2024 „Frieden beginnt bei mir“ beteiligt. Auch dank großzügiger Unterstützung durch die CaritasStiftung wurden rund 1000 Kinder in 25 Kitas erreicht. Anna Woznicki hat das Stück gemeinsam mit dem Schauspiel-Duo Fug und Janina und der Autorin Heike Werntgen entwickelt. Es soll Kinder zum Nachdenken über die eigenen Möglichkeiten anregen, Frieden zu schaffen.

Anna Woznicki | Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

„Frieden beginnt bei mir“, so lautete der Titel der Caritas-Kampagne 2024. Mit dem Friedenstheater „Katze und Hund, na und? Von der Superkraft, die Frieden schafft“ hat sich der DiCV dem Thema ganz kindgerecht angenähert. In 25 Kitas war das Duo Fug und Janina zu Gast, die Caritas Stiftung hat das Projekt großzügig unterstützt. 

Frieden nicht nur als etwas sehen, was auf der großen politischen Bühne gestaltet werden muss, sondern dort ansetzen, wo friedliches Miteinander beginnt, so entstand die Idee für das interaktive Kindertheater. Gemeinsam mit dem Schauspiel-Duo Fug und Janina und Drehbuchautorin Heike Werntgen hat Anna Woznicki, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim DiCV, das Stück „Katze und Hund, na und? Von der Superkraft, die Frieden schafft“ entwickelt und die Umsetzung in den Kitas betreut. 

Das Stück soll Kinder zum Nachdenken über die eigenen „Superkräfte“ anregen, mit denen sie Konflikte schlichten können. „Ich wollte dort ansetzen, wo Frieden wachsen kann, wo wir noch Einfluss haben, und das sind unsere Kitas“, sagt Anna Woznicki. Im Fokus hatte sie dabei auch den gesellschaftlichen Frieden:

„Das Leben stellt Familien gerade vor viele Herausforderungen, ob es hohe Lebenshaltungskosten sind oder durch Personalmangel verkürzte Kita-Betreuungszeiten. Menschen sind schnell angefasst, überfordert, das Miteinander ist nicht immer friedlich.“

Anna Woznicki

Die Kitas hatten durch das Stück die Möglichkeit, ein anspruchsvolles Angebot zu machen, ohne eigene Personal-Ressourcen einsetzen zu müssen. „In vielen Kitas sind wegen des Personalnotstands zusätzliche Angebote gerade rar, mit dem Theaterstück wollten wir den Kindern eine wertvolle Zeit bereiten, ohne Erziehrinnen und Erzieher zusätzlich zu belasten“, sagt Anna Woznicki. Zum Vertiefen gab es Materialien auf einer Internetseite.

Die Kinder, rund 1 000 wurden erreicht, waren vom Gerangel zwischen Katze und Hund begeistert. „Es war toll, zu sehen, wie die Kinder sich von dem Stück haben mitnehmen lassen, wie sie getanzt und mitgesungen, Katze oder Hund angefeuert haben“, sagt Anna Woznicki. Und ein Mitmachtheater, das passe schon von seinem Ursprung her sehr gut zum Thema, findet sie:

„Frieden ist ja auch etwas zum Mitmachen, etwas, das wir alle mitgestalten können. Frieden braucht Engagement von jeder und jedem Einzelnen.“

Anna Woznicki

Zehn Jahre Aktion Neue Nachbarn 

Seit einem Jahrzehnt verbindet die Aktion Neue Nachbarn haupt- und ehrenamtliches Engagement für Geflüchtete in den Gemeinden und den Verbänden der Caritas im Erzbistum Köln. Irene Porsch, Flüchtlingsbeauftragte der Caritas, ist überzeugt, dass die Arbeit auch in den nächsten zehn Jahren gebraucht wird. „Mit Blick auf die Zukunft sage ich: Mindestens zehn Jahre weiter so wie bisher. Und Kirche hat auch keine Alternative.“ Im Jubiläumsjahr stand das Engagement für Frieden und Demokratie im Fokus.

Irene Porsch | Flüchtlingsbeauftragte der Caritas im Erzbistum Köln

Seit zehn Jahren gibt es die Aktion Neue Nachbarn im Erzbistum Köln. Ein Jahrzehnt erfolgreicher Willkommenskultur und Integrationshilfe sowie enger Verzahnung von Haupt- und Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe – und somit viele Gründe, Erreichtes zu feiern.

200 Gäste trafen sich dazu am 31. Oktober 2024 im Katholisch-Sozialen Institut in Siegburg, darunter neben vielen ehrenamtlich und hauptamtlich Engagierten auch ANN-Initiator Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki und Caritasdirektor Dr. Frank Johannes Hensel als Leiter der Aktion. Renas Sido, selbst in der Integrationsarbeit engagiert, sprach selbstbewusst über seine Flucht aus Syrien vor zehn Jahren.

„Ein ganz wesentlicher Motivationsschub kam für mich über die Aktion Neue Nachbarn, weil ich gemerkt habe, dass mir ganz viele Menschen dabei helfen wollen, in Deutschland heimisch zu werden.“

Für Irene Porsch, Flüchtlingsbeauftragte der Caritas im Erzbistum Köln, waren der Festakt und viele ermunternde Worte eine wichtige Kraftquelle für alle, die in der Aktion Neue Nachbarn aktiv sind. „Es tat gut, das Thema Migration wieder einmal positiv zu besetzen und uns zu bestärken. Denn das, was wir machen, ist notwendig, wichtig und richtig“, so Irene Porsch.

Irene Porsch

Jubiläumsfeiern gab es auch in den Regionen. „Denn wir sind ja weit mehr als diese 200 Menschen“, so Irene Porsch. Über 20 000 Ehrenamtliche haben sich im Laufe der Zeit bei der Aktion Neue Nachbarn engagiert, 20 hauptamtlich Mitarbeitende vernetzen heute als Integrationsbeauftragte die Flüchtlingsarbeit in 15 Stadt- und Kreisdekanaten, arbeiten hier eng mit den Fachdiensten der Caritas zusammen. 

Das Jubiläumsjahr stand auch im Zeichen des Engagements für Frieden und Demokratie. „Bei vielen Aktionen wie Mahnwachen oder Friedensgebeten waren die Engagierten der Aktion Neue Nachbarn und der Caritas vor Ort an der Organisation beteiligt“, sagt Irene Porsch. „Deswegen haben wir das Demokratie-Engagement in den Regionen verstärkt, etwa durch Veranstaltungen wie ‚Raus aus der Ohnmacht, rein in die Aktion gegen rechts‘. Außerdem haben wir auf unserer Homepage einen Bereich ‚Einstehen für Demokratie und Menschenrechte‘ eingerichtet‘.“ Dort finden Interessierte Infos, wie sie sich über die Teilnahme an einer Demonstration hinaus engagieren können. „Das ist wichtig, auch mit Blick auf die Wahlen im Jahr 2025“, so Irene Porsch. Überhaupt werde die Aktion Neue Nachbarn weiter gebraucht.

„Mit Blick auf die Zukunft sage ich: Das diakonische Handeln der Kirche ist ein so zentraler Kern unseres Wesens, dass wir an der Stelle eine starke Caritas und eine starke Aktion Neue Nachbarn brauchen.“

Irene Porsch

Neues Leitbild als Aushängeschild der Caritas

Was eint die Menschen, die im DiCV arbeiten? Welche Haltung und Ideale vertreten der Verband und seine Mitarbeitenden? Konzentriert und komprimiert findet sich dies im neuen Leitbild, das in einem intensiven Prozess unter Beteiligung aller Mitarbeitenden entwickelt wurde. „Wir haben ein neues Aushängeschild“, bilanziert Bruno Schrage, Referent für Caritaspastoral, das Ergebnis des Leitbildprozesses.

Bruno Schrage | Referent für Caritaspastoral und Grundsatzfragen

Wofür steht der Diözesan-Caritasverband? Welche Haltung und Überzeugungen eint die Menschen, die hier arbeiten? Um das herauszufinden und daraus ein modernes Leitbild zu entwickeln, hat sich der DiCV in einen intensiven Prozess begeben.

„Wir haben uns ein neues Aushängeschild verpasst“, sagt Bruno Schrage, Referent für Caritaspastoral und mitverantwortlich für den Leitbildprozess, der den DiCV von November 2022 bis Juni 2023 beschäftigt hat. Die Zeit sei reif gewesen, den Auftrag, das kirchliche Selbstverständnis, die maßgeblichen Werte und Haltungen gemeinsam mit den Mitarbeitenden und Funktionsträgern zu bestimmen, sei dies doch zuletzt vor einem Vierteljahrhundert geschehen und von damaligen Herausforderungen geprägt gewesen.

„Ein Leitbild ist ein anspruchsvolles Zielbild, hinter dem sich Menschen in einer Organisation versammeln, eine Bündelung dessen, was ihnen ein gemeinsamer Anspruch ist, was ihre Ideale sind.“

„Es ist daher ein wichtiges Instrument der Personalentwicklung und -gewinnung.“ 

Bruno Schrage

Um ein vielfältiges Bild zu bekommen, entschied sich die Projektgruppe, zu der noch Ingrid Oberhammer, Personalabteilung, und Markus Harmann, Öffentlichkeitsarbeit, gehörten, für einen partizipativen Prozess. Nach Diversity-Gesichtspunkten wurden sowohl Vorstände, Vertreter_innen der Mitgliedsverbände wie auch Mitarbeitende jeden Alters und Geschlechts und aller Ebenen eingebunden. In einer ersten Phase wurden Interviews geführt mit Fragen rund um die verschiedenen Wahrnehmungen vom Zweck und Selbstverständnis des DiCV. Daraus entstand ein Entwurf, der in alle Abteilungen ging. „Alle waren aufgefordert, in Dienstgesprächen darüber zu beraten und die Vorlage am eigenen Erleben und Anspruch zu messen“, sagt Bruno Schrage. Das sei sehr gut angekommen und habe noch einmal viel am Inhalt verändert.

Nach einer weiteren Runde durch Vorstand und Geschäftsführung stand der Text fest. „Herausgekommen sind Sätze zeitgemäßen Inhalts, praxisnah und theologisch geerdet“, so Bruno Schrage. Auch das Ziel, den Umfang auf eine Seite zu konzentrieren, ist gelungen. Unter fünf Überschriften sei nun alles zusammengefasst, „was unsere christlich geprägte Arbeit und unsere Vision für die Gesellschaft ausmacht“.

Nun geht es darum, die Leitsätze in den Arbeitsalltag zu implementieren. Verschiedene Aktionen dazu fanden bereits statt, unter anderem entsteht daraus ein Kunstwerk. „Wichtig ist, dass der Prozess über die nächsten Jahre fortgesetzt wird."

"Wenn die Leute irgendwann sagen: ‚Ich kann den Begriff Leitbild nicht mehr hören‘, haben wir alles richtig gemacht.“

Und genau dann sei der Moment gekommen, wieder über ein neues Leitbild nachzudenken.

Bruno Schrage

Auf dem Weg zu klimagerechten Lösungen

„Gerade die Menschen, für die wir uns als Caritas stark machen, sind von der Klimakrise und ihren Folgekosten besonders betroffen. Es ist unsere Aufgabe, uns auch in diesem Kontext für sie einzusetzen, denn Klimaschutzpolitik ist Sozialpolitik“, sagt Dr. Vera Bünnagel, Klimaschutzbeauftragte beim DiCV. Um beim Dachverband und bei den Trägern mehr Klimaschutz zu implementieren, gab es Workshops und Fortbildungen, darunter zwei große Klima-Foren, und eine Selbstverpflichtung zu nachhaltigerer Verpflegung.

Dr. Vera Bünnagel | Klimaschutzbeauftragte

Der DiCV geht zielstrebig weiter auf dem Weg, Klimaschutz und Nachhaltigkeit im eigenen Haus und bei den Verbänden voranzutreiben. Zwei Klima-Foren für Wohlfahrt und Kirche, die Einstellung eines Referenten für Photovoltaik (PV) und die Selbstverpflichtung für nachhaltigere Verpflegung sind Leuchttürme der vergangenen zwei Jahre.

„Die zwei Klima-Foren, 2023 zu nachhaltiger Mobilität und 2024 zu klimafreundlicher Verpflegung, mit jeweils mehr als 120 Teilnehmenden waren erfolgreiche, motivierende und fachlich inspirierende Netzwerkveranstaltungen“, sagt Dr. Vera Bünnagel, Klimaschutzbeauftragte des Verbandes. Auch für 2025 ist ein Klima-Forum in Planung. Unter dem Titel „Zukunft bauen – Gebäude managen, sanieren und entwickeln“ geht es um Klimaschutzpotenziale eigener, aber auch gemieteter Immobilien. Schon seit April 2024 berät Stefan Wiemer, DiCV-Referent für Photovoltaik, Träger dabei, ihre Einrichtungen mit PV-Anlagen auszustatten. Ein knappes Dutzend an Projekten sind in Planung, bei den Gebäuden des DiCV in der Georgstraße werden 2025 zwei Anlagen mit insgesamt 70 kWp aufs Dach gebracht. 

Einen weiteren vorderen Platz auf der Agenda nehmen die Ideen für eine emissionsärmere Verpflegung ein. „Die Ernährung macht in unseren Einrichtungen die Hälfte der Emissionen aus“, so Vera Bünnagel. Im Vorfeld des Klima-Forums haben sich die fünf Diözesan- Caritasverbände in NRW auf eine Selbstverpflichtung geeinigt, die unter anderem eine Reduktion tierischer Produkte, eine nachhaltige, sozialökologische Beschaffung von Lebensmitteln, die Vermeidung von Abfällen und den Umstieg auf Leitungswasser als Trinkwasser vorsieht.

Dr. Vera Bünnagel

Weitere Initiativen für Klimaschutz waren unter anderem eine Fortbildungsreihe zu energiebewussten Strukturen und Verhaltensweisen, Unterstützung der Träger bei der Klimabilanzierung und Nachhaltigkeitsberichterstattung und die politische Lobbyarbeit. „Dabei versuchen wir vor allem, die Rahmenbedingungen zu beeinflussen, die der Umsetzung hocheffizienter Klimaschutzmaßnahmen entgegenstehen, da können wir als Dachverband viel bewegen“, erklärt Vera Bünnagel.

Überhaupt, so ist die Klimaschutzbeauftragte überzeugt, könne die Sozialwirtschaft nicht nur viel dazu beitragen, Emissionen einzusparen, sondern sei auch verpflichtet dazu: „Wir haben unzählige Immobilien, Fahrzeuge und Verpflegungssituationen und verursachen dadurch viele Emissionen. Einen großen Teil davon könnten wir vermeiden – und sollten das auch tun in der Verantwortung den Menschen gegenüber, die in unseren Einrichtungen leben und wenig Spielraum haben, ihren ökologischen Fußabdruck selbst zu beeinflussen.“ Außerdem sieht sie Klimaschutz als soziale Pflicht:

„Gerade die Menschen, für die wir uns als Caritas stark machen, sind von der Klimakrise und den Folgekosten besonders betroffen, und es ist unsere Aufgabe, uns auch in diesem Kontext für sie einzusetzen: Klimaschutzpolitik ist Sozialpolitik.“

Bünnagel

25 Jahre CaritasStiftung

Seit einem Vierteljahrhundert unterstützt die CaritasStiftung gemeinnützige Projekte im Erzbistum Köln. Aus der Idee, eine lebendige Gemeinschaft von Stifterinnen und Stiftern zu etablieren, und einem Startkapital von 600.000 D-Mark ist ein Erfolgsprojekt für Nächstenliebe mit einem Stiftungskapital von rund 35 Millionen Euro geworden. Thomas Hoyer ist von Beginn an dabei. Als Vorstandsvorsitzender ist sein Ziel, die Stiftung gut in die Zukunft zu führen.

Thomas Hoyer | Leiter Stabsabteilung Stiftungen und Fundraising

Die CaritasStiftung konnte 2024 Jubiläum feiern. Seit 25 Jahren unterstützt sie gemeinnützige Projekte im Erzbistum Köln. Mittlerweile beläuft sich das Stiftungsvermögen auf rund 35 Millionen Euro. 

Thomas Hoyer, der von Beginn an dabei ist, seit 2002 als Vorstandsvorsitzender, erinnert sich: „Das Gründungsdatum, der 11.11.1999, war bewusst gewählt: der Namenstag des heiligen Martin als Symbol für das Teilen.“ Am Anfang standen ein Startkapital von 600.000 D-Mark, rund 300.000 Euro, und ein dreiköpfiger Vorstand.

„Die Idee war, eine Gemeinschaft von Stifterinnen und Stiftern aufzubauen, die das Ziel eint, sich der Hilfe für den Nächsten widmen zu wollen.“

Ein Ansinnen, das Erfolg hatte. Heute beläuft sich das Stiftungsvermögen auf 35 Millionen Euro, rund eine Million Euro an Fördergeldern kann pro Jahr vergeben werden, darin enthalten sind zusätzliche Spenden mit Projektbezug. Unter dem Dach der CaritasStiftung gibt es zudem 38 Treuhandstiftungen, die unter dem Namen der Stifterinnen bzw. Stifter ein spezielles Anliegen verfolgen, und noch einmal 30 Stiftungsfonds. „Wir sind ein festes Standbein der Caritas im Erzbistum geworden. Die Verbände können bei uns Gelder für Projekte beantragen, und wir vergeben über unsere Treuhandstiftungen auch Einzelfallhilfen für Bedürftige“, sagt Thomas Hoyer. Herausragend waren in den letzten Jahren etwa die Hilfen nach der Flutkatastrophe. Aus Anlass des Jubiläums unterstützte die Stiftung zusätzlich das Friedenstheaterprojekt „Katze und Hund, na und?“

Thomas Hoyer

Gelungen ist auch der Plan, eine lebendige Stiftungsgemeinschaft zu etablieren. „Es gibt Fixpunkte im Jahr, die dazu beitragen, dass die Stiftenden gut untereinander vernetzt sind“, sagt Thomas Hoyer. So etwa die Verleihung des Elisabeth-Preises, mit dem die Stiftung jedes Jahr ehrenamtliches Engagement würdigt. Im Jubiläumsjahr wurde in diesem Rahmen auch der Geburtstag gefeiert. Andere Angebote sind Führungen durch die romanischen Kirchen Kölns oder die Stiftermesse im Dom. 

Wichtig für den Zusammenhalt ist auch das engagierte sechsköpfige Stiftungsteam. „Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Stiftenden ist es essenziell, dass wir da Kontinuität und Verlässlichkeit bieten“, sagt Thomas Hoyer. Und auch den ehrenamtlich Engagierten in Vorstand und Kuratorium komme große Bedeutung zu. „Ohne sie würde unsere Arbeit nicht funktionieren. Immer neu Engagierte zu gewinnen und zu halten, ist eine große Aufgabe, um die Stiftung zukunftsfähig zu machen.“ Überhaupt sei der Blick nach vorne wichtig.

„Wir wollen die Basis weiter ausbauen, die Stiftung weiterentwickeln und sie so gut in die Zukunft führen.“

Thomas Hoyer

Digitale Unterstützung für Menschen in Not

Der Bürgergeldrechner des DiCV ist ein Erfolgsmodell. Die Anwendung erfüllt nach Meinung von Michaela Hofmann, Referentin für Allgemeine Sozialberatung, eine der ureigensten Aufgaben von Caritas: „Es geht darum, die Bedürfnisse von Menschen aufzugreifen und ihnen die Möglichkeit der eigenen Handhabe zu geben.“ Menschen müssten die Chance haben, ihre Wege selbst zu gehen. Darum soll das wichtige Angebot jetzt noch durch einen Chatbot erweitert werden.

Michaela Hofmann | Referentin Verbandskoordination und Armutsfragen

Der Bürgergeldrechner des DiCV ermöglicht es Menschen in Notsituationen, ihren möglichen Anspruch auf staatliche Unterstützung zu ermitteln. Rund 100 000 Aufrufe pro Monat zeigen, dass der Bedarf groß ist. Mittlerweile ist auch die Caritas in NRW mit im Boot, ein Chatbot soll künftig Unterstützung leisten.

Die Anfänge des DiCV-Bürgergeldrechners reichen ins Jahr 2019 zurück. „Da wir häufig Anfragen von Menschen hatten, ob ein Anspruch auf Bürgergeld, damals Hartz IV, besteht, kam die Idee auf, einen einfachen Rechner zu installieren, der leicht zu bedienen ist“, blickt Michaela Hofmann, Referentin für Allgemeine Sozialberatung, zurück. Hinzu kam eine Rubrik mit häufig auftauchenden Fragen und dazugehörigen Antworten, so genannten FAQ, die fortlaufend ergänzt und überarbeitet werden. 

Eine Idee, die die große Dimension von Caritas abbildet, findet Michaela Hofmann: „Mit dem Bürgergeldrechner greifen wir die Grundfeste von Caritasarbeit auf, indem wir den Menschen die Möglichkeit der eigenen Handhabe geben.“ Die Beantragung dieser existenziellen Leistung müsse im Digitalen niederschwellig und einfach sein.

„Die Menschen müssen die Chance haben, ihre Wege selbst zu gehen, der Bürgergeldrechner hilft dabei."

Michaela Hofmann

Diejenigen, die über ihre Situation sprechen möchten oder bei der Bewältigung der Komplexität Unterstützung benötigen, sollen zu uns in die Beratung kommen und werden über die Anwendung auch auf Beratungsstellen hingewiesen.“

Die große Nachfrage – rund 100 000 Aufrufe sind es pro Monat aus ganz Deutschland – zeige, wie wichtig es sei, weitere Akteure mit einzubinden. „Wir können diese Aufgabe nicht für ganz Deutschland übernehmen“, so Michaela Hofmann. „Darum haben wir in einem ersten Schritt die Caritas in Nordrhein-Westfalen mit ins Boot geholt.“ Gemeinsam entwickelt hat man einen Chatbot, der das Angebot im ersten Quartal 2025 ergänzen soll. Das technische Dialogsystem, das durch Künstliche Intelligenz ständig weiterentwickelt wird, kommuniziert mit Nutzerinnen und Nutzern. „Für viele von uns ist es einfacher und schneller, eine E-Mail zu schreiben, statt die FAQ zu lesen. Die Beantwortung gängiger Anfragen kann gut der Chatbot übernehmen und so für komplexere Anfragen mehr Zeit lassen“, so Michaela Hofmann.

Langfristig sei die Idee, mit dem Projekt beim Deutschen Caritasverband anzudocken.

„Unser Ziel ist, dass man den Bürgergeldrechner auch dort als ein Herzstück von Caritas begreift und eine Redaktionsgruppe gründet, um das Angebot noch besser zu machen.“

 

Michaela Hofmann

Musikalische Zeitreise für Menschen aus Pflegeheimen

Unter dem Titel „Man müsste noch mal 20 sein …“ haben sich rund 500 Frauen und Männer aus Altenpflegeheimen zusammen mit Stifterinnen und Stiftern der CaritasStiftung im Kölner Tanzbrunnen auf eine musikalische Zeitreise begeben. „Wir haben viel positive Resonanz bekommen. Die Menschen haben viel mitgenommen von diesem Tag“, sagt Henry Kieschnick, Referent für stationäre Altenhilfe beim DiCV. „Die große Begeisterung der Teilnehmenden ist uns Ansporn, eine solch aufwendige Veranstaltung zu organisieren.“

Henry Kieschnick | Referent für stationäre Altenhilfe

„Man müsste noch mal 20 sein …“: Unter diesem Motto haben sich im Mai 2024 rund 500 Bewohnerinnen und Bewohner aus Altenpflegeheimen der Caritas auf eine musikalische Zeitreise begeben. Einer der Höhepunkte im Kölner Theater am Tanzbrunnen war der Auftritt der Gruppe Brings. Finanziell unterstützt wurde die Veranstaltung von der Anton-Schmal-Stiftung.

In den Gesichtern liest man Freude und Vergnügen. Fotos von Menschen, die begeistert bei der Sache sind, zeigt die Collage, die im Nachgang von „Man müsste noch mal 20 sein …“ in teilnehmenden Einrichtungen als Poster verteilt wurde. „Es war ein rundum gelungener Tag mit toller Stimmung“, sagt Henry Kieschnick, Referent für stationäre Altenhilfe beim DiCV Köln und einer der Organisatoren der Veranstaltung.

„Wir haben viel positive Resonanz bekommen, die Menschen haben so viel mitgenommen von diesem Tag. Mit der Collage wollten wir dazu beitragen, die Erinnerung lebendig zu halten.“

Henry Kieschnick

Die Veranstaltung im Tanzbrunnen war in der Nachfolge der Reihe „Alt und Jung in einem Boot“ erdacht worden, die in der Coronazeit eingestellt werden musste. „Das Theater am Tanzbrunnen hat sich dabei als idealer Veranstaltungsort erwiesen“, sagt Henry Kieschnick. „Die Räume sind barrierefrei erreichbar, der Service war sehr zugewandt.“

Doch neben den organisatorischen Vorteilen war der Tag vor allem inhaltlich ein Erfolg. Nach einem Mitsingkonzert von „Michael Kokott und Chöre“ mit kölschen Klassikern und bekannten Schlagern bereitete die Tanzgruppe „Schmucke Juwelcher“ der Karnevalsstimmung den Weg, die später mit dem Konzert von Brings ihren stimmungsvollen Höhepunkt fand. Die Kölner Musiker brachten neben weiteren Hits auch ihre Version des Willi-Schneider-Klassikers „Man müsste noch mal 20 sein …“ auf die Bühne. Ausgestattet mit dem Reisesegen von Weihbischof Ansgar Puff, machten sich die Teilnehmenden anschließend auf den Heimweg.

„Es ist für die älteren Menschen ein wunderbares Erlebnis, einmal aus dem normalen Tagesablauf herauszukommen.“

Darum sei es ihm ein besonderes Anliegen, Veranstaltungen wie die musikalische Zeitreise mitzuorganisieren: „Die große Begeisterung und der Dank der Teilnehmenden und ihrer Begleitpersonen, die uns widergespiegelt wurden, sind uns Ansporn, weiter solche Veranstaltungen zu organisieren.“ Künftig soll alle zwei Jahre ein ähnliches Angebot für ältere Menschen gemacht werden.

Henry Kieschnick

Zehn Jahre youngcaritas

Seit zehn Jahren lädt youngcaritas im Erzbistum Köln junge Menschen ein, sich sozial zu engagieren und bei punktgenauen Aktionen zu aktuellen gesellschaftlichen Themen mitzumachen, so wie im vergangenen Jahr bei vielen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. „Wir können jungen Leuten einen Raum bieten, um zu merken: ‚Mein Tun verändert etwas, ich kann etwas zur Gesellschaft beitragen', sagt Elena Klein, youngcaritas-Koordinatorin beim DiCV.

Elena Klein | Koordinatorin youngcaritas

Die youngcaritas im Erzbistum Köln konnte 2024 runden Geburtstag feiern: Seit zehn Jahren fördern und organisieren elf Caritas-Kolleginnen und -Kollegen an zehn Standorten im Erzbistum Möglichkeiten zum sozialen Engagement für junge Menschen. Neben der Europawahl waren die Teilnahme an Demonstrationen und die Positionierung für Vielfalt zuletzt Schwerpunkte.

Engagement neu denken und in neue Bahnen lenken mit Aktionen zu Themen, die die Gesellschaft bewegen, dafür steht youngcaritas mittlerweile erfolgreich nicht nur in Düsseldorf, Oberberg, Remscheid, Wuppertal und Solingen sowie im Kreis Mettmann und im Rheinisch-Bergischen Kreis, sondern auch in Bonn, Köln, Leverkusen und Neuss. „Wir konnten die Arbeit an den vier neuen Standorten in den letzten drei Jahren gut etablieren“, sagt Elena Klein, zuständig für die Koordination der youngcaritas beim DiCV. 

Ein Thema im Jahr 2024 war die Europawahl. „Mit Social-Media-Aktionen haben wir darüber aufgeklärt, warum es wichtig ist, wählen zu gehen“, berichtet Elena Klein. „Am Wahlsonntag haben wir im Rahmen der Aktion ‚Frühstücks-EU‘ an einigen Orten zum gemeinsamen Brunch geladen.“ Ebenfalls zugenommen habe die Teilnahme an Demonstrationen.

„Besonders groß war die Beteiligung bei den großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus."

Elena Klein

Es gab auch Gruppen, die bei den CSDs in ihren Städten präsent waren, um sich für Vielfalt zu positionieren“, so Elena Klein. Der große Vorteil von youngcaritas aus Sicht der Koordinatorin: „Wir können kurzfristig auf Entwicklungen und Ereignisse reagieren.“ Auf die Zielgruppe einzugehen, sei eine große Stärke:

„Wir sind sehr sensibel dafür, wie sich die Situation junger Menschen durch die Krisen um uns herum verändert hat."

"Wir können ihnen einen Raum bieten, um zu merken: Mein Tun verändert etwas, ich kann etwas zur Gesellschaft beitragen. Das ist gerade in den letzten Jahren an vielen Stellen zu kurz gekommen durch viel Verzicht und viele Zukunftssorgen. Darum ist es gut, dass man bei uns merken kann: Okay, ich kann auch mit kleinen Dingen Selbstwirksamkeit erleben."

Selbst Nachhaltigkeit zu leben, dafür stehen die Kleidertausch-Partys, die an mehreren Standorten mit Erfolg angeboten wurden. „Wir öffnen einen Raum, um Kleidung eine zweite Chance zu geben. Wer etwas mitbringt, darf sich Neues aussuchen; was übrig bleibt, wird an unsere Sozialkaufhäuser und Kleiderkammern weitergegeben“, so Elena Klein.

Elena Klein

Große Herausforderungen für Kitas

Hohe finanzielle Belastungen und Fachkräftemangel gehören zu den großen Herausforderungen, mit denen sich Kitas konfrontiert sehen. Das System hat die Grenzen erreicht. „Wir brauchen eine nachhaltige und zukunftssichere Finanzierung für die Kitas, um den gewandelten gesellschaftlichen Ansprüchen adäquat begegnen zu können“, sagt Martin Gurk, Fachberater in der Abteilung Tageseinrichtungen für Kinder. Um die Strukturen nachhaltig zu verbessern, brauche es kurzfristige Entlastungen und umfassende Reformen.

Martin Gurk | Fachlicher Koordinator und Fachberater Tageseinrichtungen für Kinder

Die Situation in Kindertageseinrichtungen war in den vergangenen zwei Jahren von großen Herausforderungen geprägt. Hohe finanzielle Belastungen der Träger, Fachkräftemangel und die Zunahme von als herausfordernd erlebtem Verhalten bei Kindern sind laut Martin Gurk, Fachberater in der Abteilung Tageseinrichtungen für Kinder, Aspekte, die sich besonders herauskristallisiert haben.

Enorme Kostensteigerungen

„Die Gründe für die zugespitzte finanzielle Situation sind vielfältig. Insbesondere haben wir in den letzten Jahren erhebliche Steigerungen bei den Energie- und Personalkosten verkraften müssen“, erklärt Martin Gurk. Sind die Räumlichkeiten für eine Kita angemietet, kommen häufig noch gestiegene Mieten hinzu. Zwar würden auch die Pauschalen des Landes für die Kita-Finanzierung nach dem KiBiz-Gesetz angepasst, doch die reale Teuerung sei dieser Dynamik längst enteilt, Träger müssten in Vorleistung gehen. „Deswegen fordern wir vom Land ein kurzfristiges Rettungspaket, um diese Kosten decken zu können“, erklärt Martin Gurk.

„Ein Rettungspaket in Höhe von 500 Millionen Euro würde für kurzfristige Entlastung der Träger sorgen."

"Gleichzeitig müssen die Finanzierungssystematik und -höhe grundlegend überarbeitet werden, insbesondere mit Blick auf die Dynamik unterjähriger Kostensteigerungen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass solche Defizite künftig nicht erneut entstehen und die finanzielle Stabilität der Träger dauerhaft gewährleistet wird.“ Klare Forderungen formuliert er auch mit Blick auf die geplante Neugestaltung des KiBiz-Gesetzes: „Wir brauchen eine nachhaltige und zukunftssichere Finanzierung für die Kitas, um den gewandelten gesellschaftlichen Ansprüchen adäquat begegnen zu können.“

Martin Gurk

Fachkräftemangel

Eine weitere Herausforderung ist der Fachkräftemangel. Laut einer Studie der TU Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts fehlen in NRW bis zum Jahr 2030 allein in den Kitas bis zu 20 000 pädagogische Fachkräfte. Was wenig optimistisch stimmt, ist die hohe Abbrecherquote in der Ausbildung, bei Erzieher_innen liegt diese in NRW bei knapp 26 Prozent, bei Kinderpfleger_innen sogar bei 58 Prozent. „Auszubildende berichten immer wieder von einem regelrechten ‚Praxisschock‘. Sie fühlen sich oft ins kalte Wasser geworfen und müssen im schlimmsten Fall bedingt durch Personalmangel Aufgaben übernehmen, die sie überfordern“, so Martin Gurk. Kurzfristig könne es helfen, auf multiprofessionelle Teams zu setzen und zu prüfen, inwieweit auch nicht pädagogisches Personal in verschiedenen Bereichen von Kitas eingesetzt werden könne. „Eine langfristige Strategie, um diese Probleme zu lösen, lässt sich allerdings noch nicht erkennen“, so Martin Gurk. Der Fachkräftemangel in Kombination mit schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen, die manche Träger das Personaltableau auf eine Mindestbesetzung zusammenstreichen lassen, führe dazu, dass Kitas vermehrt in Notbetrieb fielen und es zu Schließungen komme. „In ganz NRW haben sich die Meldungen darüber beim Landesjugendamt auf 3000 im Monat eingependelt“, sagt Martin Gurk. 

Als herausfordernd erlebtes Verhalten

Ein dritter Aspekt, der in den vergangenen Jahren zu einer verstärkten Belastung von Kitas geführt hat, ist eine Zunahme von „als herausfordernd erlebtem Verhalten“ von Kindern. „Dazu haben wir im November einen Fachtag im Maternushaus veranstaltet, der mit 230 Teilnehmenden in kürzester Zeit komplett ausgebucht war. Das unterstreicht, wie relevant und dringend dieses Thema ist“, sagt Martin Gurk. In der Fachberatung hätten Beratungsanlässe zum Thema stark zugenommen. Die Gründe dahinter sind vielfältig, unterschiedliche gesellschaftliche Einflüsse und Themen spielen hinein. 

Viele Faktoren, die das System Kita belasten und an seine Grenzen führen. „Kitas haben den Auftrag, Kinder zu bilden, zu betreuen und zu erziehen. Sobald bestimmte gesellschaftliche Herausforderungen wie zunehmende Vielfalt, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Inklusion in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gelangen, werden diese häufig an die Kitas delegiert – mit der Erwartung, dass sie diese Aufgaben primär lösen. Diese zusätzliche Verantwortung überfordert jedoch zunehmend das gesamte System“, sagt Martin Gurk. „Es braucht kurzfristige Entlastungen und umfassende Reformen, um die Strukturen nachhaltig zu verbessern“, fordert er und fügt hinzu:

„Nur mit einer gesicherten Finanzierung kann man darüber hinaus auch über das Thema Qualität in der frühkindlichen Bildung noch einmal neu nachdenken.“

Martin Gurk

Suizidprävention in der Altenhilfe

Im Rahmen des Projekts „SALTHO – Suizidprävention in Altenhilfe und hospizlich-palliativer Versorgung“ sollen Betroffene, An- und Zugehörige sowie Haupt- und Ehrenamtliche für die Themen Suizidalität und Todeswünsche im Alter sensibilisiert und im Umgang mit der Thematik gestärkt werden. Neben praktischen Hilfen geht es aus Sicht von Johanna Möller, Referentin für Suizidprävention in der Altenhilfe, auch darum, gesellschaftliche Bilder und Normen zu hinterfragen und aufzubrechen.

Johanna Möller | Referentin für Suizidprävention in Altenhilfe und hospizlich-palliativer Versorgung

Das Projekt „SALTHO – Suizidprävention in Altenhilfe und hospizlich-palliativer Versorgung“ will für Suizidalität und Todeswünsche im Alter sensibilisieren und Hilfestellung im Umgang mit Betroffenen geben. Im Fokus stehen ältere Menschen, ihre An- und Zugehörigen sowie Mitarbeitende in der Altenhilfe und der hospizlich-palliativen Versorgung. Unterstützt wird das Projekt durch die Deutsche Fernsehlotterie. 

„Ältere Menschen sind eine Hochrisikogruppe für Suizidalität“, sagt Johanna Möller, Referentin für Suizidprävention in der Altenhilfe beim DiCV. 2022 etwa waren über 70 Prozent der Menschen, die sich das Leben genommen haben, über 50 Jahre alt, knapp 40 Prozent über 65. Auch eine Umfrage unter Mitarbeitenden in der Altenhilfe und der hospizlich-palliativen Versorgung hat ergeben, dass mehr als 90 Prozent von ihnen bereits mit Todeswünschen konfrontiert wurden. „Oft steckt hinter Sätzen wie: 'Ich habe keine Lust mehr‘ etwas ganz anderes. Eine Reaktion auf Schmerzen beispielsweise, auf eine Diagnose oder die Angst davor, die Selbstständigkeit zu verlieren“, erklärt Johanna Möller.

Johanna Möller

In solchen Situationen könne ein offenes Gespräch bereits entlasten, je nach Hintergrund könne es auch helfen, über die Möglichkeiten der palliativen und hospizlichen Versorgung zu informieren.

Im Rahmen des Projekts sollen Materialien für Betroffene, Angehörige sowie Haupt- und Ehrenamtliche entwickelt werden. Eine Website ist bereits jetzt online. Ein weiteres Angebot ist ein sogenannter Sicherheitsplan. „Darin ist ein Leitfaden dargestellt für einen Menschen in einer suizidalen oder emotionalen Krise, um die Situation zu entschärfen und im besten Fall selbstständig herauszukommen“, so Johanna Möller.

„Die Entstehung von Suizidalität und Todeswünschen ist sehr komplex. Da spielen unter anderem gesellschaftliche Normen eine Rolle und die Vorstellungen davon, was ein gutes Leben ist.“

Diese Normen zu benennen und aufzubrechen, macht für sie einen besonderen Reiz des Projekts aus. „Wir beschäftigen uns mit sehr modernen Fragen, etwa wie man ein differenzierteres Bild von Altern und Alter vermitteln kann.“ Es bestehe die Gefahr, „dass Menschen, die dem öffentlichen Bild vom aktiven, gesunden und produktiven Alter nicht gerecht werden, denken: Jetzt falle ich zur Last, oder: Jetzt kann ich nichts mehr zur Gemeinschaft beitragen, jetzt ist mein Leben weniger wert." Deshalb, so Johanna Möller weiter, finde sie es wichtig, „wirklich diverse und unterschiedliche Altersbilder zu vermitteln“.

Die Ergebnisse des Projekts sollen bis 2026 kontinuierlich weiterentwickelt werden mit dem Ziel, das Thema als Teil der Gesundheits- und Palliativversorgung stärker zu verankern.

Johanna Möller

Krankenhäuser vor wegweisenden Reformen

Die katholischen Krankenhäuser haben herausfordernde Jahre hinter sich, die wirtschaftliche Lage ist durch die enormen, nicht refinanzierten Kostensteigerungen angespannt. Der wachsende Fachkräftemangel sorgt für zusätzliche Probleme. Nun wirft die Krankenhausreform des Bundes ihre Schatten voraus. Umfassende Informationen und eine Vernetzung auf NRW-Ebene sollen dabei helfen, gut durch die Krise zu kommen.

Oliver Gondolatsch | Leiter Abteilung Krankenhäuser

Die katholischen Krankenhäuser haben herausfordernde Jahre hinter sich, vor allem die enormen Kostensteigerungen und der anhaltende Fachkräftemangel machen die Lage schwierig. Ab April 2025 kommt die Umsetzung der Krankenhausreform hinzu. 

„Katholische Krankenhäuser leisten im Erzbistum Köln einen wesentlichen Beitrag zur medizinischen Versorgung der Menschen. Da es sich meist um Häuser der Grund- und Regelversorgung handelt, sind es genau die Einrichtungen, auf die die Krankenhausreform des Bundes abzielt“, sagt Oliver Gondolatsch, Leiter der Abteilung Krankenhäuser beim DiCV Köln. Zwar bestehe über alle Häuser hinweg Konsens, dass es umfassender Veränderungen bedürfe, auch für Grundgedanken wie Vorhaltefinanzierung und die Einteilung in Leistungsgruppen sei man offen, die Pläne von Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht er dennoch kritisch: „Wir vermissen neben Maßnahmen zur wirtschaftlichen Sicherung kleinerer Häuser vor allem ernsthafte Auswirkungsanalysen der Reform und kritisieren den enormen bürokratischen Aufwand, den ihre Umsetzung mit sich bringen wird.“ 

Oliver Gondolatsch

Das alles trifft die Krankenhäuser in ohnehin schwierigen Zeiten. „Gestiegene, nicht refinanzierte Kosten, Personalknappheit und zunehmend geringere finanzielle Spielräume stellen Häuser vor teils existenzbedrohende Situationen“, so Oliver Gondolatsch. Vier Schließungen und drei Trägerwechsel hat es in den vergangenen zwei Jahren gegeben, aktuell sind es im Erzbistum noch 37 katholische Krankenhäuser und Rehabilitationskliniken an 47 Standorten. Um sie in ihrer Position zu stärken, gut zu vernetzen und zu gesetzlichen Neuerungen zu beraten, hat die Fachabteilung Krankenhäuser gemeinsam mit der Diözesan-Arbeitsgemeinschaft der katholischen Krankenhäuser eine Reihe von Veranstaltungsformaten aufgelegt und informiert über Rundschreiben und Newsletter fortlaufend zu neuen Entwicklungen.

„Auf Landesebene findet im Rahmen der Caritas in NRW zusammen mit den vier anderen Diözesan-Caritasverbänden ein wöchentlicher Austausch statt, der es ohne große Agenda ermöglicht, Neuerungen in der Krankenhausplanung zu erörtern“, so Oliver Gondolatsch. Überhaupt sind der enge Schulterschluss und die Vernetzung mit den anderen Diözesen ein großes Thema.

„Wir versuchen, unsere Ressourcen zu bündeln und als Caritas in NRW gemeinsame Positionen unterstützend für die katholischen Krankenhäuser zu formulieren, um die Politik besser adressieren zu können.“

Oliver Gondolatsch

Stabil hohe Quote für Engagement und Ehrenamt

Die Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement ist in Deutschland stabil hoch, dennoch sind Koordinierende zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert, etwa dem Trend zu eher kurzfristigem oder kurzzeitigem Einsatz. „Wir müssen das Haus richten und für ein gutes Zusammenspiel von Aufgaben und Motiven sorgen, dafür haben wir bewährte Konzepte, und das ist eines unserer Qualitätsmerkmale“, so Lydia Ossmann, Referentin für Engagementförderung beim DiCV. Denn, so ihre Überzeugung: „Engagement stärkt die Demokratie.“

Lydia Ossmann | Referentin für Engagementförderung

Die Bereitschaft zu gesellschaftlichem Engagement in Deutschland ist ungebrochen hoch, das hat 2024 eine Studie von West Lotto belegt. Der Trend zu eher kurzfristigem und kurzzeitigem Engagement sorgt dabei jedoch für Herausforderungen. Auch die Debatte um einen Pflichtdienst hat die Engagementförderung beschäftigt.

„Caritas ohne Ehrenamt ist nicht denkbar“, betont Lydia Ossmann, Referentin für Engagementförderung beim DiCV. Dennoch müsse die Zusammenarbeit zwischen professionellen Diensten und Ehrenamtlichen gut abgestimmt sein, damit der Einsatz zu einem Gewinn für beide Seiten werde. „Wir müssen das Haus richten und für ein gutes Zusammenspiel von Aufgaben und Motiven sorgen, dafür haben wir bewährte Konzepte, und das ist eines unserer Qualitätsmerkmale“, so Lydia Ossmann. Einige Trends sind dabei herausfordernd, so sind vor allem junge Menschen heute eher bereit, sich für einen kurzen Zeitraum zu engagieren. Gerade in Krisensituationen sei zudem zu beobachten, dass Menschen kurzfristig helfen wollten. „Die Menschen verstehen dann oft nicht, dass wir ihnen ad hoc vielleicht nichts anbieten können oder dass wir Standards in der Zusammenarbeit haben, die eingehalten werden müssen“, berichtet Lydia Ossmann. Aktuelle Angebote seien etwa auf dem Caritas-Ehrenamtsportal gebündelt. 

Lydia Ossmann

Ein anderer Trend ist die sinkende Bereitschaft, ein Ehrenamt in einer Leitungsfunktion anzunehmen. „Das reicht von Gruppenleitungen, die keine Nachfolge finden, bis hin zu ehrenamtlich geführten Vereinen, bei denen niemand den Vorsitz übernehmen möchte“, so Lydia Ossmann. „Auch hier stellen wir fest, dass Menschen nicht mehr so leicht bereit sind, sich langfristig zu binden.“ Zwar gibt es Ideen, hier Abhilfe zu schaffen, etwa die Verantwortung auf mehrere Schultern zu übertragen und Teams zu bilden, „ein Königsweg wurde hier allerdings noch nicht gefunden“. 

In den vergangenen zwei Jahren hat auch die Debatte um einen sozialen Pflichtdienst erneut Fahrt aufgenommen. Unter dem Titel „Engagiert für das Gemeinwohl – Pflicht oder Kür?“ fand dazu im Mai 2024 ein Fachtag in Köln statt. „Das Verhältnis von Befürworter_innen und Gegner_innen des Pflichtdienstes hält sich nahezu die Waage“, bilanziert Lydia Ossmann.

„Während die eine Seite die Vorteile von zusätzlichem Personal sieht, sehen Kritiker_innen eher die Gefahr, dass Menschen unter Zwang in die Dienste kommen, was wiederum Disziplinarthemen nach sich ziehen könnte.“

Lydia Ossmann selbst hat eine klare Haltung dazu: „Für mich passen Zwang und Freiwilligkeit nicht zusammen. Das Geld, das für die Umsetzung eines Pflichtdienstes gebraucht würde, sollte man lieber den Freiwilligendiensten zukommen lassen. Zudem sollte Engagement generationsübergreifend gefordert werden.“ Denn, so ihre Überzeugung:

„Engagement stärkt die Demokratie. Es schafft Einblicke in andere Lebenswelten, baut Vorurteile ab und trägt dazu bei, die eigene Selbstwirksamkeit zu erfahren.“

Lydia Ossmann

Dank Kunst Selbstwirksamkeit erleben

„Gerade in diesen Zeiten, wo uns besonders im Bereich Flucht und Migration viele Finanzierungsmöglichkeiten wegbrechen, ist unser Projekt für mich ein positiver Lichtblick“, sagt Steffi Bös. Für sie ist „Deine.ART 2.0“ ein „Herzensprojekt“. Stephan Leo Joyce betont: „Das Besondere am Projekt ist die Niedrigschwelligkeit der Angebote.“ Am 1. Januar 2024 gestartet, bietet „Deine.ART 2.0“ Menschen aus Nicht-EU-Staaten die Möglichkeit, künstlerisch tätig zu werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Empowerment von Frauen.

Stephan Leo Joyce | Projektreferent „Gemeinsam Stark auf dem Arbeitsmarkt“ und „Deine.ART 2.0"
Steffi Bös | Projektreferentin „Deine.ART 2.0“

Stephan Leo Joyce

Das Projekt „Deine.ART 2.0“ ist am 1. Januar 2024 im Erzbistum Köln gestartet. An sechs Standorten haben Menschen aus Nicht-EU-Staaten die Möglichkeit, kreativ und künstlerisch tätig zu werden. Der besondere Fokus liegt auf der Arbeit mit Frauen. 

„Deine.ART 2.0“ baut auf den Erfahrungen des Vorgängers „Deine.ART: Kunst und Kultur für Integration“ auf, wird mit zwei Millionen Euro ebenfalls vom europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) gefördert und läuft bis Ende 2026. Die Projektkoordination liegt beim DiCV, und zwar in den Händen von Steffi Bös, die bereits bei „Deine.ART“ an Bord war, und Stephan Leo Joyce. Mit dabei sind die Caritasverbände Köln, Mettmann, Oberberg und Düsseldorf sowie der SKFM Mettmann und IN VIA Köln. Welche Kunstformen zum Einsatz kommen, ist von Standort zu Standort unterschiedlich. Bei IN VIA Köln etwa liegt ein Schwerpunkt auf der Fotografie, beim Caritasverband Köln eher auf dem Theater, in Düsseldorf auf der Musik. 

Steffi Bös

Ein Fokus liegt auf Angeboten zur Persönlichkeitsstärkung und zum Empowerment von Frauen. „Zum Teil sind das Frauentreffs oder andere Angebote, die vielleicht auf den ersten Blick simpel erscheinen, aber für die teilnehmenden Frauen großen Wert haben. Sie finden hier einen geschützten Raum, wo sie sich austauschen und gegenseitig bestärken können“, sagt Steffi Bös. „In Bergisch Gladbach haben in diesem Kontext im Herbst 2024 Fahrradkurse für Frauen stattgefunden, die begeistert angenommen wurden“, so Stephan Leo Joyce. Wichtig sei, „dass Frauen, die noch nicht lange in Deutschland sind, zum Teil noch keinen Job haben, Care-Arbeit leisten müssen, hier die Möglichkeit haben, einmal auszubrechen, selbst wieder wirksam zu werden und Kontakte zu knüpfen zu Projektteilnehmerinnen aber auch zur Aufnahmegesellschaft“, so Steffi Bös. 

Ein weiterer neuer Baustein sind niedrigschwellige Bildungsangebote etwa zu gesellschaftspolitischen Themen, zur Gesundheitsbildung oder zur Medienkompetenz. Außerdem sollen die Standorte stärker untereinander vernetzt werden. So fand von Dezember 2024 bis Februar 2025 bereits eine gemeinsame Ausstellung zum Thema „MutProben“ im Klarissenkloster im Kölner Stadtteil Kalk statt. All das macht „Deine.ART 2.0“ für Steffi Bös zum „Herzensprojekt“:

„Gerade in diesen Zeiten, wo uns viele Finanzierungsmöglichkeiten wegbrechen, ist unser Projekt für mich ein positiver Lichtblick.“

Bös - Leo Joyce

Schulbegleitung: Gericht kippt Vergabeverfahren 

Nach einem Marathon durch die Instanzen hat auch das Bundessozialgericht bestätigt, dass die Vergabe von Schulbegleitung durch Ausschreibungsverfahren rechtswidrig ist. Stefanie Hermanns, Leiterin der Stabsabteilung Recht, sieht in dem Urteil einen großen Erfolg mit Strahlkraft auch in andere Bereiche, vor allem aber eine wegweisende Entscheidung, die das Prinzip des Wunsch- und Wahlrechts von Leistungsberechtigten stärkt.

Stefanie Hermanns | Leiterin Stabsabteilung Recht

Vergabeverfahren zur Erbringung von Schulbegleitung als Leistungen der Eingliederungshilfe sind rechtswidrig. Das hat das Bundessozialgericht im Mai 2023 entschieden. Mit dem Urteil endete eine juristische Auseinandersetzung, die sich sieben Jahre lang durch die Instanzen gezogen hatte. Nach Meinung von Stefanie Hermanns, Leiterin der Stabsabteilung Recht, ist das Urteil wegweisend, es bestätige die gesetzliche Konzeption der Leistungserbringung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis, die allen Anbietern einen transparenten und gleichberechtigten Zugang zur Leistungserbringung gewährleiste und damit eine selektive Auswahl verbiete.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war die Entscheidung der Stadt Düsseldorf aus dem Jahr 2016, den Einsatz von Schulbegleitungen für Kinder mit Behinderung öffentlich auszuschreiben. Dagegen hatten der Caritasverband Düsseldorf und die Kaiserswerther Diakonie geklagt, unterstützt durch die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes NRW. Bereits 2022 hatte das Landessozialgericht den Klägern recht gegeben. Die Stadt Düsseldorf legte dagegen Revision ein. Doch auch das Bundessozialgericht entschied im Sinne der Kläger. „Auch für die Leistungsberechtigten ist es ein wegweisendes Urteil, es bestätigt ihr Wunsch- und Wahlrecht und den Grundsatz der Trägerpluralität bezüglich Leistungen, die für ihr Leben fundamental sind“, sagt Stefanie Hermanns.

„Wir feiern es als großen Erfolg, unsere Auffassung von der höchsten Instanz in der Sozialgerichtsbarkeit vollumfänglich bestätigt zu finden“, fährt die Juristin fort. Als Spitzenverband sehe man die Entwicklung, soziale Dienstleistung durch wettbewerbliche Verfahren zu ökonomisieren, sehr kritisch. Dabei würde auch immer wieder fälschlicherweise behauptet, Europarecht zwinge zu Vergabeverfahren. Hier schaffe das Urteil Klarheit:

„Das Bundessozialgericht hat erklärt: Da, wo das deutsche Sozialrecht Systeme wie das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis vorsieht, greift das europäische Vergaberecht nicht.“

Momentan werde geprüft, welche weiteren Bereiche der Sozialgesetzgebung das betreffen könne, wie etwa Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. „Überall da, wo das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis besteht, ist dem Bestreben, unbedingt auszuschreiben, nun ein Riegel vorgeschoben.“

Stefanie Hermanns